Und was wäre ein Hüftprothesen ohne Azetat? Der neue Werkstoff hat seinen Weg in die Modebranche (als seidenglänzende Kunstfaser), in die Folie (als Zelluloid-Trägermaterial), in den zugelassenen Drogenhandel (als Komponente von Zigarettenfiltern) und in das Dessin gefunden, da der Werkstoff hauptsächlich für die Produktion von Brillenfassungen diente. Die Hornimitationsbrillen waren es auch, die den Nachwuchsdesigner Jean-Baptiste Fastz und das schweizerische Designerpaar Josephine Chouquet und Virgin Tévoz dazu inspirierten, sich das Thema näher anzusehen.
Schnellrez hat seine " Maske " Wand-Spiegel geschaffen, die von einem kräftig gemustertem Azetat eingerahmt sind und ein wenig an Voodoo-Masken erinnerten. "Ich war irritiert von den beiden Polen, unnatürlich, natürlich", sagt er. "Kunststoffe wie Azetat imitieren ein Naturmaterial, also z. B. Wald oder Horn." "Im Jahr 2012 entdeckt die französische Kunstgalerie in Paris "Mask" und entwickelt weitere Arbeiten aus Acryl.
Beim Beistelltisch "Totem" kombinierte Fast-rez das Azetat mit Eloxal. "Das", erläutert Schnellrez, stellt das Maximale dessen da, was mit Azetat in Bezug auf die Grösse eines Möbelstücks erreicht werden kann. "Acetate ist ein faszinierender Werkstoff, er ist sowohl Kitsch als auch zeitgenössisch", sagt Josephine Chouquet, die zusammen mit ihrem Partner Virgin iaévoz - beide von der Firma E. C. L. A. L. S. - Acetate für eine Gläserkollektion, aber auch für Lampen verwendete.
Die Entdeckung des Materials fand sie in ihrer Abschlussarbeit, in der sie die Arbeiten ehemaliger Glasmacher begutachtete, die zunächst verschiedene Acetat-Muster unter Lichteinwirkung untersuchten, bevor sie diese verbanden. Darauf folgten die erste Kollektion mit dem vielversprechenden Namen "Copacabana", die 2013 auf den Genfer Designtagen und 2014 auch auf dem Mailänder Salon-Satelliten präsentiert wurde.
Die " acapulco " - Leuchtstofflampen mit einfachen und schmalen Acetatfassungen - sind dagegen viel durchgreifender. Das robuste, geometrisch anmutende Design kontrastiert mit dem Azetat. Die Tatsache, dass gerade Azetat die Aufmerksamkeit der jungen Gestalter auf sich gezogen hat und ihm eine Laufbahn in einem angrenzenden Produktfeld der Brillenbranche droht, macht ihn ein wenig lächeln, aber es ist auch offensichtlich: Das Material strahlt einen Touch "Retro" aus, der an die gute alte Zeit zurückdenkt, als Gläser- und Kofferhorn noch zum Teil aus den Bienenvölkern eingeführt wurde.
Industrielle Paneele werden heute in einer maximalen Abmessung von 60 x 140 Zentimetern produziert - meist in Dicken von weniger als einem Millimeter, weniger häufig in Dicken von bis zu fünf Zentimetern. Die Kombination mit anderen Werkstoffen wie z. B. Metallen ist ebenfalls nicht unproblematisch, da Azetat bei starken Temperaturen schwankt. Auch" Maszuchelli 1849", einer der weltgrößten Produzenten von Zelluloseacetaten mit 1000 Beschäftigten in ganz Europa und Asien, der mit Herstellern von Brillen wie z. B. Luxemburg und Afrika zusammengearbeitet hat, zeigt einen neuen Wunsch nach Azetat.
Maszuchelli 1849 hat 300 unterschiedliche Azetate im Programm, unterteilt in Mustersegmente wie "Art Print", "Horn/Wood", "Havanas", "Multilayer" oder "Fantasy". Laut Korrado ist die Anfrage nach klassischem Acetatmuster wie z. B. Landschildpatt und Hupe in den letzten vier Jahren stark angestiegen. Azetat wird ein Werkstoff sein, der im Produktdesign besonders für kleine, aber feine Gegenstände von Interesse ist.
Es ist kein Zufall, dass die Füllhalter von Monblanc aus Azetat hergestellt werden. Vor allem, weil Azetat ein teures Plastik ist: Eine etwa 0,5 cm starke und 60 bis 140 cm große Scheibe kostete 1849 bei Maszuchelli zwischen 150 und 300 EUR. Andererseits verzaubert das auf den ersten Blick helle und dunkle Kontrast.