Dies war im Jahre 1986; es war gerade verwerflich geworden, dass der frühere saudi-arabische Öl-Minister Sheikh Achmed Sami Yamani die weltweit größte Marke für Uhren erwerben wollte: Die Edelmanufaktur Vacheron Constantin mit einer fabelhaften, abenteuerlichen Vergangenheit sollte in fremde Hand fallen. Zum Verständnis des Umfangs der Transaktion ist es wichtig zu wissen, dass Vacheron Constantin zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Anfang der Krise in den 70er Jahren zu den Top 3 gehörte.
Zur ereignisreichen Unternehmensgeschichte des namhaften Uhrenherstellers gehört, dass dem endgültigen Ausverkauf an den Sheikh ein aufregender Übernahmethriller voranging. Die Firma hatte drei gutachterliche Stellungnahmen abgegeben, die den Verkehrswert der Liegenschaften auf nur CHF 8.9 bis 11.3 Mio. beziffern, was den Erwerb möglich gemacht hätte. Sheikh Dschamani wird nicht in der Lage sein, Vacheron Constantin zu erwerben, die lokale Presse schloss mit aufwendigen Aufrufen.
Auf einmal waren die Liegenschaften fantastische 43 Mio. Schweizer Francs; für diesen Betrag ging es an den bekannten Grundstückshai Jean-Pierre Magin. Vacheron Constantin hatte damit keine eigenen Liegenschaften mehr, aber der passionierte Sammler durfte sie endlich betreten. Wäre er zurückgetreten, wäre die Fabrik wahrscheinlich verschwunden. Vacheron Constantin steht wie so oft in der Geschichte am Rande eines Abgrunds, heruntergekommen.
Der fröhliche Geschäftsführer Claude-Daniel Pröllochs stellt vor den Augen internationaler Gäste das Mikrophon an. Pröllochs, der damals von Sheikh Yamani als Boss nach Vacheron gebracht wurde, befindet sich ohne Zweifel auf dem Gipfel seiner Laufbahn. Anlässlich des 250 -jährigen Bestehens der Marke führt er nach und nach die verrückten neuen Produkte in der Unternehmensgeschichte von Vacheron Constantin ein.
Jedoch ist das Turbillon eine der anspruchvollsten Aufgaben der Uhrmacherkunst, weshalb es immer in besonders wertvollen Teilen zu finden ist. Man kann davon ausgehen, daß Claude-Daniel Pröllochs nicht einmal von solchen Meisterstücken zu träumen gewagt hat, als "Blick" seinen bösartigen Kamelmilch-Kommentar veröffentlichte. Damals wurden nur etwas mehr als 3000 Uhren pro Jahr hergestellt, heute sind es fünfmal mehr.
Derjenige, der die Trendwende herbeiführen sollte, ist Claude-Daniel Pröllochs, und es sollte hier nur am Rande gesagt werden, als er den Mann weglockte, der wie kein anderer an der Industrie beteiligt war: Nikolas G. Heuek, dessen Unternehmen von Sheikh Yamani als Beratungsunternehmen ins Boot geholt worden war.
Später verglich er seinen ersten Umgang mit Vacheron Constantin mit der Entdeckung eines in einem Stall vergessenen ehemaligen Rolls-Royce. Doch das Potential, so viel Proellochen augenblicklich erkannt, das Potential war da. Der Vacheron Constantin Uhrenhersteller Hubert Hirner enthüllte am dritten Tag des Jahres 2005 im Hotel du Rhône den " L'Esprit des cabinotiers " - um es ganz offen zu sagen - eine Schlacht aus Materialien mit feinsten Bestandteilen, die mit höchstem uhrmacherischen Können zu einer dreidimensional geformten Plastik zusammengesetzt wurden.
Sheikh Áhmed Žaki ŽJamani ist nicht anwesend und Vacheron Constantin ist jetzt Teil der Gruppe Reichenmont, die unter ihrem Namen Markennamen wie z. B. ŽCartierŽ, ŽPiagetŽ, ŽIWCŽ, ŽLange & SöhneŽ und ŽJaeger-LeCoultreŽ vereint. Eigentümerwechsel haben die Historie der Fabrik immer wieder prägend beeinflusst - und manchmal auch kaustische Hintergrundgeräusche verursacht. Am 19. April 1870 fordert der 24-jährige Karl Vacheron, eine gerade fertiggestellte Miniaturuhr für Kaiser Alexandre II. ins Lager zu bringen, ein imposantes Exemplar, das trotz seines rekordverdächtigen kleinen Uhrwerks auch mit einem endlosen Kalendarium ausstattet ist.
Am selben Tag verstirbt der erst anderthalb Jahre alte Geschäftsführer des Unternehmens Karl Vacheron und seine Frau muss die Leitung inne haben. Die 88jährige Katharina Vacheron und ihre Schwägerin Laura Vacheron-Pernessin leisteten gute Arbeit und gründeten das Unternehmen 1877. Weniger bekannt ist jedoch die Tatsache, dass Jaeger-LeCoultre, der Hersteller der weltbekannten Reversos, Vacheron Constantin in der letzten Sekunde vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs rettete.
Vacheron Constantins Umsatzzahlen kollabierten und Kündigungen erschienen unvermeidlich. Allerdings boomt Jaeger-LeCoultre, das zur Jaeger-Gruppe von Jäger in Frankreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten zählte. Die Übernahme von Vacheron Constantin war für Jaeger-LeCoultre kein Hindernis, wenn die Geldkassette voll war. Früher gab es Seiten mit Anwesenheitslisten, heute gibt es nur noch einen Namen: Die Gesellschaft Jaeger-LeCoultre.
Die Entscheidung von Jaeger-LeCoultre und Vacheron Constantin ist ein wichtiges Beispiel für die Entwicklung der Uhrenbranche und eines der wenigen Konzentrationsbeispiele in diesem Sektor, bei dem beide Parteien ihre Eigenständigkeit bewahren können. Vacheron Constantin geht später an die Firma Vacheron Constantin, später an die Firma Reichenberg.
Die " Jubilee 1755 " hat ein von Vacheron Constantin komplett neuartiges Automatikwerk, wird erst 2005 fertiggestellt und kostet rund CHF 30'000. Als ältestes Uhrenunternehmen der Erde muss man ein wenig Symbolkraft nachweisen.